„Stoppt Mobbing“ – Projekttag an der Nonne Schule

Carsten Stahl zu Gast in der Regelschule „Dr. Carl Ludwig Nonne“

„Echt jetzt – der Carsten Stahl von RTL II kommt zu uns?“ Das war die erstaunte Reaktion vieler Schüler auf den angekündigten Projekttag (finanziert vom Förderverein der Schule) am 15. Oktober. Die meisten kennen ihn aus dem Fernsehen, wo er als einer der „Privatdetektive im Einsatz“ für Gerechtigkeit sorgt. Nur die wenigstens wussten, dass er zuvor selbst im kriminellen Milieu Berlins aktiv war, und wahrscheinlich gar niemand wusste bis zu diesem Montag, dass Carsten Stahl seit vier Jahren seine einträgliche Fernsehkarriere aufgegeben hat und nun seine Popularität dazu einsetzt, einen lautstarken Kampf „Mit Respekt, Mut und Toleranz, gegen Mobbing, Gewalt, Drogen und Vorurteile“ an deutschen Schule zu führen. Über 150 Schulen hat er schon besucht, mehr als 36.000 Schüler hörten bereits, was Carsten Stahl nun auch den Nonne-Schülern zu sagen hat. Er erzählt – mal lautstark, mal eindringlich-leise, mal mit, mal ohne Mikro, denn seine Stimme trägt durch die ganze Turnhalle und die 200 Zuhörer sind mucksmäuschenstill – viele kleine Geschichten, die sich nach drei Stunden aktiven Zuhörens zu einem Gesamtbild fügen. Er berichtet von dem Kriminellen, der alles hatte und haben konnte, was sein Herz begehrte, der aber zum „egoistischen, selbstsüchtigen Schwein“ geworden war. Man erfährt, wie ein kleines Bündel Leben – der erste Sohn – ihn dazu bewog, diese Lebensphase zu beenden und ehrliches Geld zu verdienen. Er berichtet auch eindringlich von dem kleinen Jungen, der wegen seiner rötlichen Haare und seiner Sommersprossen – ein wenig dicklich war er auch – von älteren Mitschülern drangsaliert, verfolgt, geschlagen und letztendlich, schon am Boden einer tiefen Baugrube liegend, sogar vollgepinkelt wurde und nur noch sterben wollte. Und er schildert, wie der Sohn nach zwei Tagen in der Grundschule weinend darum gebeten hat, nicht mehr zur Schule zu müssen, denn dort wurde er gehänselt und geschlagen. Tiefe Betroffenheit herrscht bei den meisten der Zuhörer, als Carsten Stahl nach jeder dieser Geschichten herausschreit: „Das war ich!“

Er hat es selbst erlebt und gespürt, und genau diese Offenheit kommt an. Er verwendet drastische Worte, die einerseits schockieren, aber andererseits jedem verständlich sind und deutlich machen, warum der Kampf gegen Mobbing ihm ein Herzensbedürfnis geworden ist: Es zerstört Kinderseelen, es treibt in tiefe Verzweiflung bis hin zu Selbstmordgedanken und – in der Schule natürlich besonders wichtig – es verhindert Lernerfolge, denn wer Angst vor der nächsten verbalen oder gar körperlichen Attacke auf dem Schulhof oder Heimweg hat, kann nicht aufpassen.

Für die Schüler greifbar werden seine Aussagen, als Carsten Stahl sie auffordert, ihre schlimmsten Beleidigungen und Schimpfwörter zu nennen. Schon die Fünftklässler und erst recht die Großen laufen zu Hochform auf, erstmals ist es richtig laut in der Turnhalle. Die genannten Schimpfwörter können hier nicht genannt werden, „Rindviech“ oder „blöde Kuh“ sind mit Abstand die harmlosesten. Auf dem Flipchart werden sie von Alex mitgeschrieben, und am Ende bleibt vielen das Lachen und Schreien geradezu im Halse stecken, als Carsten Stahl lautstark zu verstehen gibt, dass dies ein Spiegel unserer Schule ist, des Umgangs miteinander in Klassenzimmern und auf Schulhöfen. Auf einmal findet das nicht nur Alex „Scheiße“.

Was ist Mobbing überhaupt? Ist Beleidigen und Lästern schon Mobbing oder fängt es erst bei Schlagen, Treten und Sachen wegnehmen an? Auf jeden Fall heißt es, andere aus der Gemeinschaft auszugrenzen. Die Frage, wem das schon einmal widerfahren ist, beantworten ungefähr 90% der Schüler mit „ja“. Erstaunlicherweise haben aber auch genauso viele selbst schon einmal jemanden ausgegrenzt, also gemobbt. Auch weggesehen bei Mobbing haben schon viele, schließlich ist man ja froh, nicht selbst ein „Opfer“ zu sein…

Darüber zu reden, all das zuzugeben, ist der erste und wichtigste Schritt im Kampf gegen Mobbing. Dieser erste Schritt ist nun gemacht. Bereitwillig unterschreiben die Schüler ein großes Plakat mit der Aufschrift „Stoppt Mobbing“. Das ist eine Verpflichtung, ein Versprechen. Die Einhaltung dieses Versprechens und damit die Nachhaltigkeit des Projekts muss abgewartet werden. Wurde wirklich ein Prozess in Gang gesetzt, überlegt man sich jetzt, was man seinem Mitschüler „um die Ohren haut“? Oder war es einfach nur ein unterhaltsamer, aber natürlich auch beeindruckender Vormittag mit vielen spannenden Geschichten aus dem Leben des Fernsehstars? Der gibt den Schülern am Ende dieses Schultages, den die meisten bestimmt nicht so schnell vergessen werden, auch noch Gelegenheit für ein Autogramm und ein Bild, was natürlich begeistert angenommen wird.

Pia Schubert

Foto: Schule